Was Hannerl nicht lernt, lernt Hanna nimmermehr...

Schon oft habe ich dieses Zitat Lügen gestraft.

Mit 19 begann ich widerwillig eine kaufmännische Laufbahn. Zettel von links nach rechts schieben und dazwischen dem Chef Kaffee bringen. Lächeln, wenn ein Geschäftspartner mich mit den Augen verfolgte, weil ich auf der Baustelle das einzige weibliche Wesen war. Das bot mir nicht wirklich eine Aussicht auf erfülltes Berufsleben "Wahrscheinlich fehlt mir nur mehr Wissen darüber", dachte ich. Dass ich mich mit dem Wissenserwerb beeilen musste, war mir klar, denn was ich jetzt nicht erlernte, würde ich später nicht mehr lernen können.

Fortbildungen machten den Beruf aber auch nicht spannender. Bald orientierte ich mich dann um. Eine Ausbildung zur psychosozialen Beraterin, von der mir wegen meines hohen Alters von 30 Jahren, sogar von Professoren, abgeraten wurde, schloss ich ab. Erfolgreich selbstständig bestritt ich dann meinen Lebensunterhalt bis zu dem Tag, an dem mein Mann die Diagnose einer schweren seltenen Demenzform erhielt. Nach seinem Tod musste ich mein gesamtes Leben neu sortieren und ich setzte ich mich wieder über dieses "Altersvorurteil" hinweg. Noch einmal ging ich einen neuen Berufsweg. Ich schrieb Bücher, um manch herausfordernde Erlebnisse zu verarbeiten und ließ mich zur Ghostwriterin ausbilden, um solche Verarbeitung auch anderen Menschen zu ermöglichen.

Wieder bestätigte sich meine Erkenntnis - auch Hanna kann Neues erlernen.

Nun bin ich bereits über 60 Jahre alt, und möchte die Tätigkeit, die nun zu meinem erfüllten Leben gehört, weiter ausführen und mich technisch und qualitativ weiterentwickeln.

Bei der ersten Aufgabe angelangt muss ich Strategien finden, um nicht alle gerade bedeutungsvoll gewordenen Arbeiten, wie Fenster putzen, oder Socken stopfen, die dann keiner mehr anzieht, weil sie drücken und Blasen bilden, vorzuziehen.

Da hilft es, ein paar Schritte in Richtung Innenstadt zu gehen. Und was wäre eine Wienerin, wenn sie ins Freie ginge und nicht sehr bald in einem der zahlreichen Lokale, landen würde?

Heute war genau der richtige Tag, um im Freien eine Tasse Kaffee zu bestellen und die lang ersehnten Sonnenstrahlen zu genießen. Ich war also mitten in der Stadt im Gastgarten eines Altwiener Kaffeehauses, mit Blick in einen der herrlich gepflegten Parks, wie man in Wien viele findet. Die ersten Sträucher hatten vor wenigen Tagen zu blühen begonnen. Der intensive Geruch von Flieder drang süßlich in meine Nase und ergab eine seltsame olfaktorische Melange mit dem Duft des gegrillten Saiblings, den der Herr am Nebentisch bestellt hatte. Ich wollte jetzt über die Aufgabe, etwas über meine Motivation, das Schreiben auch technisch zu erlernen, nachdenken. Die lustigen Lichtspielchen, die ich durch die geschlossenen Augenlider wahrnahm, unterstützten mich dabei.

Einerseits gibt es die Stimme, die mich mahnt zu bedenken, dass "es" sich ja gar nicht mehr rechnet, Studienzeit zu versitzen, es sei nicht mehr genug Zeit, das Gelernte noch anzuwenden. "Lebenszeit ist endlich", sagt diese Stimme dann. Andererseits schreit ein Anteil in mir, dass dieser Gedanke Unsinn sei. Selbst bei knapper Zeit habe ich noch viel zu sagen und wenn das auch noch richtig und effizient geschieht, würde es noch mehr Spaß machen.

Überzeugt davon richtig entschieden zu haben, diese Fortbildung meiner Tätigkeit hinzuzufügen, lächle ich nun der Aufgabe entgegen. Vielen Dank Hanna, dass du die Herausforderung, den Satz wiederholt Lügen zu strafen, wieder annimmst.